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Hans Fallada

Ich bekomme Arbeit

Reportage, 1929

 

Zum Dichter: Hans Fallada wurde 1893 in Greifswald, Mecklenburg-Vorpommern, geboren und wuchs in Leipzig und Berlin auf. Seine Romane und Erzählungen spielen in der Alltagswelt, wo er selbst als Bauernknecht, Handwerker und Zeitungsverkäufer arbeitete.

Zum Text: "Ich bekomme Arbeit" erschien 1929 in der Zeitschrift Die Tat und berichtet im Stil einer Reportage über Erfahrungen aus Falladas eigenem Leben. Fallada war ein Meister der Reportage - der Literatur der Fakten und der einfachen, sachlichen und etwas ironischen Berichte. Der Text beschreibt den ersten Arbeitstag eines wandernden Zeitungsverkäufers in Altholm, Schleswig-Holstein. Es war eine Zeit der steigenden Arbeitslosigkeit und politischen Krisen in Deutschland.


Ich bekomme Arbeit (1929)

Mir klopfte das Herz, als ich vor der Tür meines ersten Kunden stand. Ehe ich die Klingel zog, wartete ich, daß es ruhiger ging, aber es ging nur immer stärker. Ich klingelte und ein junges Mädchen machte mir auf. Ob ich Herrn Malermeister Bierla sprechen könnte? "Bitte schön" und "Vater, da ist jemand." Ich kam in ein großes Zimmer, am Tisch saß eine nette ältere Frau und schnitt Kohl. Der Meister stand mit einem andern Herrn im Gespräch am Fenster. "Bitte schön" und was ich wünsche? Ich verbeugte mich hübsch, auch vor der Frau, auch vor dem Gast. Guten Morgen und ich käme von der Redaktion der Zeitung Chronik mit der Anfrage, ob Herr Malermeister Bierla sich nicht entschließen könnte, unser Blatt vielleicht erst einmal, probeweise, zu beziehen.

Ich hatte mir eine richtige kleine Rede ausgedacht, daß "wir" ja immer gerade für die Interessen des Handwerks kämpften, daß das Handwerk in diesen schweren Zeiten zusammenhalten müßte, dann kam der Syndikus [ein Journalist], seine wichtigen Aufsätze, und schließlich, mit einem Seitenblick auf die Frau, unsere anerkannt guten Romane.

Plötzlich war meine Rede zu Ende, ich wußte nichts mehr, keiner hatte ein Wort gesagt, es war still. Es war so still, daß ich noch einmal loslegte, aber ich verfing mich gleich, stotterte und schwieg wieder. Dann sagte die Frau vom Tisch her: "Wir können's ja mal versuchen, Vater" und er: "Was kostet denn die Chronik?" Nun hatte ich wieder zu reden, es kam die Gratislieferung, der eine Monat Abonnement, ich schrieb das Zettelchen aus und gab es dem Meister, der mich damit aber zu seiner Frau schickte. Er redete schon wieder mit dem Gast. Ich bekam mein Geld, eine Mark fünfzig für fünf Minuten reden!

Als ich auf der Straße war, ging ich auf die andere Seite und sah das Haus an. Es war ein gutes Haus, ein brauchbares Haus, ich mochte es gern. Es war schön unter Farbe gehalten, das verstand sich bei einem Malermeister von selbst, im Erdgeschoß war ein Laden mit Räucherwaren von Johannsen. Ich hatte einen Augenblick den Gedanken auch zu Johannsen hineinzugehen, aber ich entschloß mich, nicht aus der Reihe zu tanzen, sondern bei meinen Handwerkern zu bleiben. Ich warf noch einen Blick auf das Haus und ging weiter.

Quelle: Hans Fallada. Ich bekomme Arbeit. Aus der Zeitschrift Die Tat, Berlin 1929.

 


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